Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 5./​6.1923/​24

DOI Heft:
1./2. Oktoberheft
DOI Artikel:
Bogeng, Gustav A. E.: Deutsche Buchkünstler und Buchkunstwerkstätten der Gegenwart, [3]: Hamburger Buchkunst
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.22444#0050

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Deutfcbe ßucbkün{tlet? und Bucbkunßu^et’kffätten

dev Qegenwavt

III. Hambut?get? Bucbk-un(l
t?on

6. A. 6. Bogeng

/\ usgangspunkt und Endpunkt der Buchdruok-Er-
* * findung — sie liegen ganz nahe, in Gutenbergs Per-
sönlich'keit verkörpert, zusammen — ist die Erfindung
des Gießinstrumentes. Auf ihm beruhte die Lettern-
kunst, die praktische Lösung eines Apparates zum Me-
talltypenguß schuf erst alle die Möglichkeiten fiir dde
Ausbildung und Ausbreitung der Buchdtuckerei. Daß
dieses bibliotecbnische Problem in seinen geschicht-
lichen Voraussetzungen früher weit weniger gewiirdigt
worden ist als andere, 'fiir die Buchdruck-Erfindung
viel nebensächlichere, findet seine Erklärung hierin,
daß die Buchdruokgeschichte anfänglich teclmi'ko-
historisch selir vernachlässigt worden ist, weil nur
ganz gelegentlich Fachleute unter ihren Forschern
waren. Das bibliognostische und bibliographische
Element hatte in der Inkunabelnhistorie den Vor-
rang, erst mit dem Ende des neunzehnten Jahr-
liunderts begann man, von der Entstehung, niclit bloß
von der äußeren Erscheinung der fertig gewordenen
alten Druckwerke auszugehen, mit großem Nutzen für
die Buchdruckgeschichte und aucli für die Kunst im
Buchdruck. Aesthetik und Technik bedingen sich bei
einer Buchherstellung gegenseitig; manches, was der
begeisterte Buchkunstfreund an einem Wiegendrucke
als die Äußerung freien Kunstwillens schätzen möchte,
war lediglich das Ergebnis eines hemmenden Kunst-
zwanges, manches, was er an den Drucken seines
zwanzigsten Jahrhunderts zu rühmen oder zu tadeln
weiß, liegt ästhetisch-technisch außerhalb der Grenzen
der Letternkunst, die eine exakte mechanische Repro-
duktionstechnik ist, als welche sie in der Schriftenher-
stellung wurzelt. So ist das kleine Gießinstrument recht
eigentlich das Symbol der Buchdruckerei und nicht die
Presse. Seine Geschichte ist noch zu schreiben.
Manche neueste Vorarbeiten weisen hier den Weg.
G u s t a v M o r i hat es versucht, das Gutenbergische
Schriftengußverfahren durch begründete Vermutungen
iiber die Art der ersten Gießinstrumente aufzuklären.
F r i e d r i c h Bauer hat in einer wohl dokumentier-
ten kritischen Untersuchung die Entwicklung der Gieß-
instrumenttechnik erläutert, an der Hand der mehr oder
minder genauen alten Bilder, auf die wir hier nahezu
allein angewiesen bleiben. Manche Fragen sind noch
zu klären ob sicli ilmen eine endgiiltige Antwort geben
läßt, wird von den noch zu erschließenden Quellen ab-
hängen — jedenfalls ist die Geschichte des Gießin-
struments nun als die des technischen Urproblems der
Buchdruckerei und der Kunst im Buchdruck mit be-
stimmterer Deutlichkeit in den Bereich der Betrach-
tungen über die Buchdruckgeschichte gezogen. (Leider

ist das vortrefflich gedruokte und mit vorzüglichen
Bildwiedergaben ausgestattete Buch: D a s G i e ß i n -
strument des Schriftgießers. Ein Bei-
t r a g z u r G e s c h i c h t e d e r S c h r i f t g i e ß e -
r e i v o n F r i e d r i c h B a u e r. A I s P r i v a t -
d r u c k herausgegeben imSeptember 1922
von der Schriftgießerei Aktiengesell-
schaft Genzsch & Heyse und München
überhaupt nicht in den Handel gekommen und seine
kleine Auflage jetzt vergriffen; man möchte der Ab-
handlung als einem Beispiel ähnlicher besonnener buch-
gewerblicher Forschungen eine größere Verbreitung
wünschen.) Die Abhandlung Bauers erinnert durch ihre
äußere Form eines Hamburger Musterdruckes, durch
ihren Hersteller und ihren Verfasser daran, daß die
Buchkunst in Hamburg eine alte Pflegestätte in dem
Betriebe einer großen Schriftgießerei hat, deren Er-
zeugnisse durch ihre Verbreitung weit über die deut-
schen Grenzen hinausreichen. Man muß sioh in An-
sehung der Buchkunstgeschichte stets vergegenwär-
tigen, daß mit der Ausbildung eines selbständigen
Schriftgießereigewerbes das lokaloriginale Element der
Buchsohönheit, die sich aus der Schriftschönheit her-
leitete, innner mehr verwischt worden ist. Wenn wir
heute von einer Hamiburger Buchkunst sprechen, setzen
wir nicht mehr voraus, daß sie, wie etwa die Mainzer
Buchkunst in Gutenbergs Tagen, auf dem Ürsprungsort
der Druckereien eigentümlichen Schriftschöpfungen be-
ruht. Andererseits ist der Einfluß, der auf die Buch-
gestaltung von deren Schrift geübt wird, so groß, daß
man mittelbar auch von einer Hamburger Buchkunst
reden könnte, wo Hamburger Schriften Verwendung
fanden. Es hat also heutzutage sein bedenkliches,
Buchkunstwerke allein nach ihrem Herkunftsorte zu
kennzeichnen, immerhin darf man die Auffassung der
Buchkunst als einer internationalen Erscheinung, die
auf gemeinsamen Voraussetzungen beruht, aucli nach
ihren nationalen und sogar lokalen Zügen begrenzen,
weil dabei doch die Eigenart der künstlerischen Lebens-
äußerungen schärfer hervorzutreten pflegt. Die Schrift
ist nun einmal das Sprachgewand, das sich dem Sprach-
körper allmählich angleicht. Verschiedenheiten ihrer
Wesenszüge lassen sich solcherart räumlich und zeitlich
schärfer trennen. So darf man, unter den bekannten
deutschenDruckschriften derSchriftgießerei G e n zsch
& Heyse, der Deutschen Druckschrift von Heinz
König, der Neudeutschen Sohrift von ütto Hupp, der
Leibniz-Fraktur, der Alten Schwabacher, der fein-
fühligen Steiner Prag-Schrift, die Senats-Fraktur von
Friedrich Bauer hervorhebend eine hanseatische Schrift

40
 
Annotationen